Beratungspflichten des Versicherungsmaklers

Feb 18, 2020 | Allgemein, Versicherungsrecht

Angesichts der deutlich zunehmenden Klagen von Versicherungsnehmern gegen Versicherungsmakler möchte ich die Pflichten des Versicherungsmaklers zur Aufklärung und Beratung unter Berücksichtigung der derzeitigen Rechtsprechung genauer ausleuchten.

I. Vertragsanbahnung/Vertragsabschluss

So gehen die Pflichten des Versicherungsmaklers sehr weit. Dieser wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder gar Abschlussvertreter angesehen. Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er einen individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen.

Den Versicherungsmakler treffen bei seiner Tätigkeit gegenüber dem Auftraggeber generelle Pflichten, vor allem die Interessenwahrnehmungspflicht sowie die Aufklärungs- und Beratungspflicht. Hierbei ist der Umfang der Beratungspflicht abhängig von dem Beratungsbedarf des Versicherungsnehmers. Die Aufklärung und Beratung umfassen vor allem Fragen, welche Risiken der Versicherungsnehmer absichern sollte, wie die effektivste Deckung erreicht werden kann, bei welchem Risikoträger die Absicherung vorgenommen werden kann und zu welcher Prämienhöhe welche Risikoabdeckung erhältlich ist.

Hierbei erfüllt der Versicherungsmakler seine Aufklärungs- und Beratungspflichten jedoch nicht allein dadurch, dass er ohne Prüfung und Erörterung den Versicherungsnehmer auf Lücken einer bestehenden Versicherung sowie dadurch hervorgerufene wirtschaftliche Risiken hinweist und dann einen Versicherungsschutz gegen sämtliche Risiken empfiehlt. Vielmehr ist er verpflichtet, eine pflichtgemäße Beratung in einem am konkreten Bedarf des Versicherungsnehmers orientierenden Hinweis auf eine sach- und interessengerechte Versicherung und in einer Information über die dafür aufzuwendenden Kosten vorzunehmen.

Interessant sind in diesem Fall die beiden nachfolgenden Entscheidungen:

1. Ofensetzer Fall, BGH-Urteil vom 26.03.2014, Az. IV ZR 422/12

Der BGH hatte sich mit der Schadenersatzpflicht eines Versicherungsmaklers befasst, welcher eine Versicherung abgeschlossen hatte, die das zu versichernde Risiko nur unzureichend abdeckte.

Ein Handwerker beauftragte seinerzeit einen Versicherungsmakler mit der Vermittlung einer Betriebshaftpflichtversicherung. Der Handwerker war selbstständiger Ofenbaumeister, führte aber zusätzlich hiervon unabhängig Fliesenlegearbeiten aus. Auf dem auf Vermittlung des Maklers abgeschlossenen Versicherungsvertrag wurde als versichertes Risiko „Kamin-, Ofen- und Herdsetzer, Feuerungs- und Luftheizungsbau“ eingetragen.

Sodann kam es zum Schadenfall: Der Versicherungsnehmer hatte im Keller einer Arztpraxis eine Podestfläche mit einem Pumpensumpf abgedichtet und eingefliest. Leider löste sich die von ihm eingebaute Abdichtung und der gesamte Keller unter dem Estrich, diverse Wände und Fahrstuhlschächte wurden durchnässt.

Der Betriebshaftpflichtversicherer lehnte die Regulierung des Schadens ab mit der Begründung, reine Fliesenarbeiten seien nicht versichert. Der Versicherungsschutz bestehe nur für einen Kamin-, Ofen- und Herdsetzer-Betrieb, nicht jedoch für einen Fliesenlegerbetrieb.

Daraufhin nahm der Handwerker seinen Versicherungsmakler in Regress, da dieser schließlich nicht dafür gesorgt hatte, dass auch reine Fliesenlegerarbeiten versichert sind.

Der BGH gab der Klage gegen den Versicherungsmakler deshalb statt, weil dieser treuhänderischer Sachverwalter des Versicherungsnehmers sei. Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers müsse er individuellen und für das Objekt passenden Versicherungsschutz besorgen. Um dies zu erreichen, müsste der Versicherungsmakler das Risiko von sich aus untersuchen und das Objekt prüfen. Dies habe der Makler nicht in ausreichender Weise getan.

Hier wurde von dem Versicherungsmakler eine sogenannte „Quasideckung“ erwartet, wonach er den Versicherungsnehmer so stellen muss, als sei er ausreichend versichert.

2. Sprinkleranlagen-Fall, BGH-Urteil vom 10.03.2016, Az. I ZR 147/14

In diesem Fall machte die Klägerin gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche geltend, nachdem es in einer der Klägerin gehörenden Halle in Folge eines Fehlalarms zur Auslösung einer Sprinkleranlage kam und dadurch die Halle mit Löschschaum gefüllt wurde. Hierdurch sind von der Betriebsunterbrechungsversicherung nicht gedeckte Schäden von mehr als 10 Millionen Euro entstanden. 

Der BGH verwies in der Revision an das OLG zurück und führte hierbei zu den Pflichten des Versicherungsmaklers aus, dass dieser Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers sei; er müsse für diesen individuellen, auf das entsprechende Objekt passenden Versicherungsschutz besorgen, oft kurzfristig.

Der Versicherungsmakler müsse von sich aus das Risiko untersuchen, das Objekt prüfen und den Versicherungsnehmer als seinen Auftraggeber stets unterrichtet halten.

Auch hier bezeichnete der BGH den Versicherungsmakler als treuhänderischen Sachverwalter des Versicherungsnehmers.

Im konkreten Fall war noch nicht erwiesen, dass die Klägerin von der Beklagten die Vermittlung eines umfassenden, alle Risiken abdeckenden Versicherungsschutzes bei der Betriebsunterbrechungsversicherung verlangt habe. Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichtes würde diese aber einem Schadenersatzanspruch der Klägerin nicht entgegenstehen.

Zwar sei von der Beklagten darauf hingewiesen worden, dass gegenüber der Klägerin Versicherungslücken aufgezeigt worden wären.

Allerdings erfülle der Versicherungsmakler seine Pflicht nicht alleine dadurch, dass er auf alle Risiken hinweist und anregt, gegen alle diese Risiken zu versichern. Vielmehr bestünde die pflichtgemäße Beratung in einem am konkreten Bedarf des Versicherungsnehmers orientierten Hinweis auf eine sach- und interessengerechte Versicherung und darüber hinaus in einer Information über die dafür erforderlichen Kosten.

Entsprechendes sei von der Beklagten nicht vorgetragen worden.

Da in der Betriebsunterbrechungsversicherung eine Vielzahl von Risiken einzeln wie auch zusammen versicherbar wären, wäre die Empfehlung, alle Unternehmen der Gruppe gegen alle Risiken zu versichern, verfehlt und ersichtlich nicht fachgerecht.

Etwas anders gelte nur dann, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsmakler unmissverständlich klar macht, dass er keine weitere Beratung wolle und darauf verzichte.

3. Allerdings: Versicherungsnehmer muss selbst auf Besonderheiten hinweisen

Obwohl die Haftung sehr weit geht, soll auf eine weitere Entscheidung des OLG Hamm vom 21.05.2015, Az. 18 U 132/14 hingewiesen werden.

Dieses Urteil zeigt die Grenzen der Beratungspflichten von Versicherungsmaklern auf.

Im vorliegenden Fall ging es um ein Ehepaar, welches einen Versicherungsmakler mit der Sichtung und gegebenenfalls Optimierung seiner Versicherungsverträge beauftragt hatte.

Zunächst setzte man sich zu einem Gespräch zusammen, während dessen der Makler sich einen Überblick über die bestehenden Verträge verschaffte. Unter anderem ging es auch um eine Wohngebäudeversicherung, die noch eine feste Laufzeit von zwei Jahren hatte.

Nach dem Gespräch wurde ein schriftlicher Maklervertrag geschlossen, in dem der Versicherungsmakler verschiedene private Versicherungen, unter anderem auch die Wohngebäudeversicherung eintrug.

Etwa ein halbes Jahr später brannte es auf dem Grundstück der Versicherungsnehmer. Ein Brandstifter hatte ein Zelt in Brand gesetzt, in dem Heuballen lagerten -es entstand ein Schaden von 15.000,00 €.

Die Versicherungsnehmer machten den Schaden bei der Wohngebäudeversicherung geltend. Diese lehnte die Regulierung ab, denn das Lagerzelt sei nicht Gegenstand der Wohngebäudeversicherung gewesen.

Nun wandten sich die Versicherungsnehmer an den Makler da sie glaubten, dieser habe sie falsch beraten.

Das OLG Hamm entschied abschließend, dass der Makler zwar verpflichtet war, das versicherte Risiko zu untersuchen und das Ehepaar über Lücken im Versicherungsvertrag aufzuklären. Jedoch könne von dem Versicherungsmakler im Rahmen einer ersten Kontaktaufnahme -und mehr hat es zwischen dem Ehepaar und dem Makler nicht gegeben- nicht verlangt werden, dass er die Versicherungssituation umfassend analysiert. So wäre es nach Auffassung des OLG Hamm viel mehr die Aufgabe des Ehepaares gewesen, den Makler auf Besonderheiten auf dem Grundstück hinzuweisen.

Mit anderen Worten: Was der Versicherungsnehmer beim Makler nicht zur Prüfung in Auftrag gibt, kann dieser auch nicht erahnen und dazu auch keine Beratung leisten.

II. Beratung und Betreuung während des Versicherungsverhältnisses

Sicherlich besteht das Hauptgeschäft des Versicherungsmaklers in der Vermittlung und dem Abschluss von Versicherungsverträgen. Allerdings verlangt das Gesetz auch eine versicherungstechnische Betreuung der Verträge während des Bestehens.

So ist der Makler zur Erteilung von Hinweisen für eine risikogerechte Anpassung der vermittelnden Versicherungsverträge verpflichtet. Der Versicherungsmakler hat daher das versicherte Risiko zu überwachen, bei Risikoveränderungen den Versicherungsnehmer hierauf ungefragt hinzuweisen und auf eine Anpassung hinzuwirken.

Insgesamt kann also festgestellt werden, dass ein Versicherungsmakler zur fortlaufenden und ständigen Betreuung des Versicherungsnehmers verpflichtet ist. Er muss umgehend und unaufgefordert prüfen, ob der bestehende Vertrag noch den Bedürfnissen des Kunden entspricht.

Gut gemeinter Rat:

Zusammenfassend kann Versicherungsmaklern nur dringend dazu geraten werden, die Beratungsdokumentation umfassend vorzunehmen. Zwar sind seit der IDD und der neuen VersVermV die Dokumentationspflichten von Vermittlern klar, jedoch werden sie von vielen Maklern noch nicht ausreichend umgesetzt, wie die Praxis in vielen – in unserer Kanzlei bearbeiteten – Fällen beweist.

Insoweit kann Versicherungsmaklern nur dringend dazu geraten werden, unbedingt das zu dokumentieren, was nicht versichert ist. Hierbei sollte der Makler auf in vorgefertigten Beratungsdokumentationstexten Freifelder handschriftlich ergänzen, sodass eine Beratungsdokumentation individuell und nachvollziehbar wird.

Das Beratungsformular sollte auch um die Begründung für ein bestimmtes Versicherungsprodukt ergänzt werden. So wird im Haftungsfall gut darstellbar sein, warum der Versicherungsnehmer diese Entscheidung für ein bestimmtes Produkt getroffen hat.

Zu guter Letzt sollten man den Versicherungsnehmer das Protokoll über die Beratung auch unterzeichnen lassen, um etwaigen Täuschungsvorwürfen entgegen zu treten. Überdies stellt das Protokoll dann juristisch eine Urkunde dar, welche als Beweismittel vor Gericht gewürdigt werden muss und bei welchem man sich darauf verlassen kann, dass es vollständig und richtig verfasst wurde.

Sodann müsste der Versicherungsnehmer den Folgebeweis erbringen, dass die Beratung so nicht erfolgt ist.

Sie brauchen einen Beratungstermin?

Fragen Sie mit Ihrem Anliegen gerne unverbindlich an. Wir garantieren eine schnelle Bearbeitung Ihrer Angelegenheit.

Kontakt

+49 (0)561 / 93 71 52 99

Kontakt@van-velzen.de

Anschrift

Anwaltskanzlei Van Velzen
Wilhelmsstr. 27, 34117 Kassel

Sprechzeiten

Mo bis Fr: 9:00 – 13:00

Mo, Di, Do: 14:00 – 17:00